Unterstufe

Die Unterstufe umfasst die Klassen 1-4, eine Zeit, in der die Kinder in der Schule ankommen und das Lernen lernen.

Die meisten Fächer werden von dem/der Klassenlehrer/in im Hauptunterricht vermittelt, nur die Fachunterrichte wie die Fremdsprachen, Musik, Handarbeit, Werken, Eurythmie, Religion und Sport werden von Fachlehrern unterrichtet.

„Der Sonne liebes Licht, es hellet mir den Tag“

Der Unterricht beginnt täglich um 8.05 Uhr. Ein gemeinsamer Anfang in der Klasse ist jeden Tag der Beginn für die Schüler. Im Hauptunterricht werden die Inhalte alters entsprechend, aufeinander abgestimmt und rhythmisch gegliedert vermittelt. Der Hauptunterricht befasst sich in den Klassen 1-4 mit den folgenden Themen:
Im Fach Deutsch werden die Buchstaben bildhaft vermittelt und zunächst mit Geschichten eingeführt. Es folgt eine schrittweise Entwicklung des Schreib- und Schriftverständnisses bis hin zum flüssigen, betonten Lesen. Schulbücher gibt es in diesen Jahren nicht. Die Schüler werden dazu angeleitet, ihre Bücher selber anzufertigen, wobei auf die Gestaltung und die Vollständigkeit großen Wert gelegt wird.
Erlebnisberichte, Aufsätze und Referate werden bereits in der Unterstufe angefertigt.
Im Fach Rechnen lernen die Kinder alle vier Grundrechenarten schon innerhalb des ersten Schuljahres. Die Zahlenreihen werden bereits bis zum großen 1×1 erübt und mit vielerlei z.T. spielerischen Übungen erarbeitet. Das Bruchrechnen wird in der vierten Klasse eingeführt.

In dem Fach Formenzeichnen, dem ersten Unterrichtsfach das die Schüler/innen erhalten, lernen sie Formprinzipien, Ästhetik, Symmetrie, Disharmonie und weitere Grundlagen der Geometrie kennen.
Hinzu kommen Themen der Sachkunde, wie Mengen und Gewichte, Zeit und Jahreslauf, Heimatkunde, Tierkunde und das Erleben der verschiedenen Handwerksberufe. Alle Unterrichte werden epochal unterrichtet, d.h. es wird täglich eine Doppelstunde über vier Wochen zu einem jeweiligen Epochenthema gearbeitet und mit Bewegung und Kreativität vermittelt.

„Der Seele Geistesmacht, sie gibt den Gliedern Kraft“

Rhythmus, Bewegung und Nachahmung zeichnen diese vier Jahre aus. Besonders in dem Rhythmischen Teil des Unterrichtes sowie dem Erzählstoff am Ende des Hauptunterrichtes, aber auch in den Fremdsprachen, der Musik und der Eurythmie findet die kindliche Seele viel Nahrung, die sie stärkt. Durch Gesang, rhythmisches Sprechen und harmonisches sich bewegen gelangt das Schulkind zu einem ausgewogenen Verhältnis von sich als Persönlichkeit und als einem Teil der Klassengemeinschaft, deren Erhalt auch nach der Unterstufe fortbesteht.

„Im Sonnenlichtesglanz verehre ich, o Gott, die Menschenkraft, die Du in meine Seele mir so gütig hast gepflanzt“

Die Kinder erfahren im Erzählteil des Hauptunterrichtes anhand von Märchen, Fabeln, Legenden und mythologischen Geschichten immer wieder Inhalte, die ihr Seelenleben erfüllen. Es reift in ihnen zu einem Schatz, den sie in ihr weiteres Leben hineintragen und ausbauen können. Eine soziale Kompetenz wird angelegt. Jeder Erzählinhalt ist zum jeweiligen Zeitpunkt als Seeleninhalt Nahrung für das Kind und ist entwicklungsbedingt ausgesucht.

„Dass ich kann arbeitsam und lernbegierig sein“

Im Handarbeitsunterricht und im Werken erproben die Kinder von der 1. Klasse an ihre handwerklichen Fähigkeiten auf mannigfaltige Weise. Sie sehen an ihrem Werkstück, wie sie die jeweilige Aufgabe zum Gelingen gebracht haben. Sie lernen Schwierigkeiten zu überwinden und entwickeln Ausdauer dabei, die Arbeiten so schön wie möglich anzufertigen, da sie diese anschließend meist in den eigenen Gebrauch nehmen können.
In der Sachkunde wird im dritten Schuljahr verstärkt ein umfassendes Bewusstsein auf die Handwerkstätigkeit, die Landwirtschaft und die Erstellung einer Behausung gelenkt. Die Kinder bekommen nicht nur theoretische Kenntnisse, sondern sie erproben sich in den jeweiligen Gebieten auch praktisch. Sie erstellen gemeinsam ein Bauwerk von bleibendem Wert für die Schulgemeinschaft ( Pizzaofen, Torbogen, Hochbeet…) und eine eigene Behausung aus Naturmaterialien in Kleinformat.
Im Musikunterricht haben die Kinder in den unteren vier Klassen eine Entwicklung vollzogen vom anfänglichen Gesang in der Klasse, über das Erlernen der Flöte bis hin zum Ergreifen eines Instrumentes der eigenen Wahl, das ab der vierten Klasse im Klassenorchester gespielt wird.

„Von dir stammt Licht und Kraft, zu Dir ström´ Lieb` und Dank.“

In diesen ersten Schuljahren entsteht bei den Kindern das Gefühl von Sicherheit und Verlässlichkeit. Aus diesen Kräften können sich die Kinder gesund entwickeln und schöpferisch lernen. Die enge Bindung, die der/die Klassenlehrer/in zu den Kindern aufbaut, hilft ihnen, dieses Gefühl zu entwickeln.

Eurythmie
Durch die Betätigung in der Eurythmie erüben die Schüler eine hohe soziale Kompetenz. Gemeinsames Tun, jeder ist Teil eines Ganzen. Durch die Bewegung im Raum und durch Geschicklichkeitsübungen, differenziert in oben/unten, rechts/links, vorne/hinten, erlernen die Kinder Raumorientierung und Körperorientierung, außerdem allgemeine Geschicklichkeit. Kinder erfahren sprachliche und musikalische Gesetzmäßigkeiten.
Sie lernen musikalische Gesetzmäßigkeiten anzuwenden (z.B. Tonhöhe, Melodie und Rhythmus). Es wird Wert darauf gelegt, dass die Schüler/innen Erlerntes in selbstständigem Tun anwenden. Hier wird auch der Mut gefördert, sich vor andere hinzustellen und etwas zu zeigen.

Bewegtes Klassenzimmer
Das Kind lernt durch Tun. Ein bewegtes, gut durchpulstes und durchatmetes Kind kann mit besserer Konzentration dem Unterricht folgen.

Seit Gründung der Waldorfschule wird der Unterricht mit dem sog. „Rhythmischen Teil“ begonnen. Bewegungsspiele, unterschiedlichste rhythmische Übungen, die die Mathematik genauso stützen wie den Deutschunterricht, das Liedgut, das Flötenspiel usw. werden an den Anfang des Unterrichts gestellt. Diese Unterstützung des Unterrichtes durch bewegtes Tun wurde für die Unterstufenklassen erweitert, indem durch entsprechendes Mobiliar noch mehr Möglichkeiten zum bewegten und greifbaren Lernen gegeben werden. Bevor der Unterricht beginnt, üben sich die ersten Kinder bereits im Balancieren, Werfen und im gemeinsamen Spiel. Während des Unterrichtes wird nicht nur im Heft geschrieben und gerechnet, sondern auch die Zahlen am eigenen Körper erfahrbar gemacht, die Buchstaben durch das ganze Klassenzimmer gelegt oder Klängen in ruhigem Liegen auf dem Boden gelauscht.

Formenzeichnen
Das Fach Formenzeichnen ist mit der Eurythmie einzigartig an Waldorfschulen. Dieses Fach hat sogar einen so hohen Stellenwert, dass es den Inhalt der ersten Schulstunde eines jeden Waldorfschülers am Tag seiner Einschulung in die erste Klasse bildet. Aus den Formen der Geraden und Krummen bestehen alle Formen, die wir auf der Welt entdecken können. Hier lernt das Kind sich in die Welt einzuordnen. Die Buchstaben werden davon abgeleitet. Unten/oben, rechts/links wird erfahrbar, genauso wie Aufrichtekräfte, fließende oder statische Qualitäten. Das Kind erhält durch das Zeichnen vielfältiger Formen, wie z. B. Lemniskate, Welle, Spirale, Dreieck, Kreis, eine innere Orientierung. Mannigfache Formprinzipien lernt das Kind kennen, gestaltet mit Farben- und Formenreichtum. Kreativität wird gefördert, Formverständnis geschult. In der zweiten Klasse befassen sich die Schüler mit Motivbändern und der Spiegelung von Formen. In der dritten Klasse erhöht der Vollzug der Formverwandlung die innere Beweglichkeit. In der vierten Klasse verlangen die keltischen Flechtornamente besondere Wachheit und Aufmerksamkeit. In der fünften Klasse vollzieht sich der Übergang vom gestaltenden Formenzeichen zur Freihand-Geometrie, in der erste geometrische Gesetzmäßigkeiten vermittelt und zum Erleben gebracht werden. Fortan ist die Geometrie in jeder Klassenstufe und in ansteigenden Anforderungen, wie Geometrisch-Technischem Zeichnen, darstellender Geometrie bis hin zur Projektiven Geometrie Bestandteil des Unterrichts.

Werken
Das sogenannt „harte Werken“ an unserer Freien Waldorfschule in Stade beginnt mit der vierten Klasse. Die Handarbeit, das sogenannte „weiche Werken“, findet bereits mit der ersten Klasse statt.
Werken dient der Geschicklichkeit. Mit den Händen kann das körpergebundene Verstehen erarbeitet und erlebt werden. Wer immer geschickter wird, versteht immer besser und erlebt Verstehen auf der leiblichen Ebene. Verstehen bereitet immer Freude. Dabei wird Vertrauen gewonnen und immer weiterentwickelt. Dieses Vertrauen in ein Verstehen-können fördert auch das Vertrauen in das intellektuelle Verstehen. Intellekt und Geschicklichkeit mit den Händen oder allgemein mit dem Körper bedingen, fördern und ergänzen sich wechselseitig. So stärkt der souveräne Umgang mit dem scharfen Schnitzmesser die Sicherheit im Umgang mit den Dingen; das Vertrauen, die Dinge dieser Welt gestalten und verändern zu können, wächst und lässt das Selbstbewusstsein gedeihen.
Spezielle Aufgabenstellungen wie z.B. das Freistellen oder Eingraben von Buchstabenformen nimmt Rücksicht auf die Inhalte und Entwicklungsmöglichkeiten dieser Altersstufe.

1. Klasse

  • Formenzeichnen: Das Formprinzip der Krummen und Geraden.
  • Übergang zum Schreiben: Die Buchstaben werden mit Geschichten eingeführt. Erleben steht im Vordergrund. Am Ende der ersten Klasse müssen die Kinder noch nicht fließend lesen können.
  • Rechnen: Zahlenwelt bis 20, alle vier Rechenarten werden mit viel „körperlichem Einsatz“ erlernt, erfahren
  • Erzählstoff: Märchen
  • Fachunterricht: Musik, zwei Fremdsprachen, Eurythmie, Spielturnen, Handarbeit, Religion

2. Klasse

  • Formenzeichnen: Die Spiegelung
  • Lesen, Schreiben: Kleinbuchstaben
  • Rechnen: Zahlenraum bis 100 intensives Üben der Einmaleins-Reihen
  • Sachkunde: Der Jahreslauf, die Zeit
  • Erzählstoff: Heiligenlegenden, Fabeln
  • Fachunterricht: Musik, zwei Fremdsprachen, Eurythmie, Spielturnen, Handarbeit, Religion

3. Klasse

  • Rechnen: Grundrechenarten schriftlich, Erweiterung des Zahlenraumes bis 10000
  • Lesen: Betontes Lesen, Vorlesen
  • Sprachlehre: Wortarten, Satzarten, erste Aufsätze
  • Formenzeichnen: Formverwandlungen
  • Sachkunde: „Die Urberufe“ mit vielen handwerklichen Tätigkeiten
  • Erzählstoff: Das Alte Testament
  • Fachunterricht: Musik, zwei Fremdsprachen, Eurythmie, Spielturnen, Handarbeit, Religion

4. Klasse

  • Sprachlehre: Rechtschreibung, Zeiten, Aufsätze
  • Rechnen: Bruchrechnung
  • Formenzeichnen: Flechtformen, oben – unten, erste geometrische Begriffe
  • Heimatkunde
  • Tierkunde
  • Erzählstoff und mythologische Geschichte: Germanische Mythologie
  • Fachunterricht: Erweiterung durch Klassenorchester, Werken